Lysistrate

Nürtinger Zeitung

Die Damen hungern die Herren der Schöpfung aus

Krieg? Bitte, wenn’s sein muss. Aber ohne uns. Viel zu selten haben sich die Frauen ihrer Macht besonnen, um die schwanzgesteuerten Mitesser ihrer Haushalte an der sinnlosesten Ressourcenvergeudung zu hindern, die das menschliche, speziell männliche Verhalten kennt. Der Stuttgart Regisseur Christian Schlösser hat sich eines rund zweieinhalbtausend Jahre alten Stückes des griechischen Komödiendichters Aristophanes besonnen, in dem sich die Frauen Athens dem dümmlichen Treiben ihrer Helden verweigern und ihnen schweren Herzen den Zugang zu ihrem Körper und der Haushaltskasse verweigern. Sie ist nun wahrlich nicht mehr die Jüngste, Lysistrate, von Cornelia Elter jederzeit schlüssig verkörpert. Gerade das macht sie aber geeignet, ihren Athener Geschlechtsgenossinnen nicht nur den Vorschlag zu unterbreiten, vorübergehend den Verstand über die Funktionen des Hormonhaushaltes regieren zu lassen, sondern das auch durchzuhalten.

Die kriegslüsterne Machtgesellschaft bekommt einfach pinkfarbene Gummipenisse umgeschnallt, die als Dauerständer zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel an der Triebkraft ihrer Träger und daran, dass sie dieser selbst den letzten Verstandesrest und ihr ständig zur Schau getragen sublimiertes Selbstverständnis unterordnen, lassen. Selbst die gemeinsam in der Art der „Sieben Schwaben“ unterm Arm getragene Waffe lässt ihre Daseinsverwandtschaft mit dem männlich-primären Geschlechtsorgan nie verleugnen. Doch allzu weit sind die Frauen Athens von ihren Männern nicht entfernt. Schon die Art, wie sie beim Lysistrateischen Sektempfang mit „Stößchen“ prosten, wie sie die in den vorbereiteten Dipp zu stippenden Möhren in Händen halten, lässt ebenso tief blicken wie Lysistratens Dekolleté. Aber damit hat Regisseur Schlösser schon mal den Zuschauern in der Neckartenzlinger Melchiorhalle eine Vorstellung davon mitgeteilt, wie hart es die internationale, besser gesagt Panhellenische Frauenschaft angehen musste, auf den engeren Verkehr mit ihren heldenhaften, aber strunzdummen Sexprotzen zu verzichten, die sich mehr schlecht als recht mit typisch männerbündlerischen Ablenkungsmanövern über die Misere hinwegzuhelfen versuchen – „olé, olé, olé“ klingts vom Schlachtenfeld, von den Sunioner Weibern mit „Viva Colonia“ gekontert. Von Lysistrate eingeschworen besetzen die Frauen das akropolitheische Schatzamt und hungern die Herren der Schöpfung so doppelt aus, bis diese notgedrungen ihre spartanischen Feinde, deren Feinde sich dem Sexstreik der Athener Damen angeschlossen hatten, als Leidensgenossen erkennen und Frieden schließen.

Mindener Tagblatt

Derb-frivole Lysistrate bietet wirklichen Genuss
Theaterkompagnie Stuttgart spielte modernisierte Fassung

Das Licht geht aus, schemenhaft wird in der Bühnenmitte eine Gestalt erkennbar und zitiert Aristophanes. Es erklingen ungewohnte Sprache, Versmaß – alles konzentriert sich in der Dunkelheit auf die Worte und deren Aussage. Nichts stört die Konzentration. Und dann geht das Licht an. Cornelia Elter als mittelalte Hausfrau und Gastgeberin, schon im eleganten Kostüm, eine verrückte Schürze (Motiv „Eva mit Schlange“) vorgebunden, schrappt ein letztes Möhrchen, nachdenklich die Form des Musterexemplars betrachtend. Wir sind mittendrin, denn die Möhren sind Teil des Büfetts für ihre figurbewussten Freundinnen, die mal wieder zu spät kommen.

So lebensnah beginnt eine antike Komödie, in der sich die Frauen von Athen, Sunion und Sparta zusammentun, um ihre Männer endlich von ihren Kriegsspielen abzuhalten. Das mehrt den Wohlstand und schont den Staatsschatz und der kann unter der Verwaltung der Frauen dazu beitragen, den Wohlstand noch mehr zu mehren. Ihr Rezept, die Männer unter Druck zu setzen, lautet: Liebesentzug. Schlimmer noch: Mach ihn an und lass’ ihn stehen. So geschieht es und Lysistrate resümmiert den schließlich auch eintretenden Erfolg: „Wenn die Hose drückt, werden Männer zu Poeten.“

Hart an der Grenzen zum Klamauk und fußend auf der schonungslosen Offenheit antiker Satyr-Spiele der Dionysien agiert die Theaterkompagnie Stuttgart mit einer offensiv modernisierten Fassung der alten Handlung, wobei an zentralen Stellen immer wieder Aristophanes zu Wort kommt, jeweils hervorragend gesprochen und durch die wohl dosierte Auswahl ein ungeheurer Genuss, für den man gerne die zum Verständnis nötige Anstrengung auf sich nimmt. Die Original-Zitate heben sich von der turbulenten Handlung ab, strukturieren sie und machen auf ihren Sinn aufmerksam. Aristophanes’ Worte wirken plötzlich wie die Kommentare des Chores im antiken Theater. So verklingen auch die etwas zweifelnden Schlussworte nicht, die noch einmal zusammenfassen, was hier gerade gespielt wurde: „Hätten wir Sprache, hätten wir das Wort, wir brauchten die Waffen nicht.“

Dem bunten Lustspiel liegt ein gut umgesetztes Konzept zugrunde, wobei Christian Schlösser über ein ausgezeichnetes, komödiantisch brilliantes Ensemble verfügt. Diese „Lysistrate“ ist ein wirklicher Genuss.

Schwarzwälder Bote

Strapse als Waffe oder die Macht des Beischlafboykotts Theater Kompanie Stuttgart gastiert in der Nagolder Stadthalle mit fleischlich-greller »Lysistrate«

Nagold. Geile Griechinnen in punkigen Pimmelszenen im ehemals pietistischen Nagold? Man könnte sich sorgen, steckte man als Verantwortlicher hinter der Aufführung der Lysistrate in der Inszenierung Christian Schlössers. Doch gefehlt: Der Applaus für die Theater Kompanie Stuttgart am Samstag in der Stadthalle hielt an. Aristophanes Komödie unterhielt mit Kopfnote. Großartige Darsteller um die beeindruckende Cornelia Elter (Lysistrate) zeigten junges Theater- fleischlich, lustig, lebendig, verflogen 75 Minuten am Stück.

»Make love – not war«, was die Hippies in den 60ern aufkochten, hatte der griechische Autor schon 411 vor Christus im 20. Jahr des peleponnesischen Krieges gewusst.Lysistrate, seine Hauptfigur und zu deutsch so viel wie »Heeresauflöserin«, ist das Leid ihrer Geschlechtsgenossinnen überdrüssig, verursacht durch endlos scheinenden Krieg, Tote, Tränen des Elends.

Sie schart die Frauen Athens um sich, ringt ihnen – listig und manches Mal schwer verteidigt – den Eid der Enthaltsamkeit ab und gewinnt als wichtiges Moment die Spartanerin Lampito zur Kampfgenossin, die ihrerseits das feindliche Lager auf weiblicher Seite für die »Strapse als Waffe« überzeugt. Die Weiber – mal der Haufen gackernder Hühner, der sich um ausbleibende Mittel für die Winterstiefel mehr schert als um des Kampfes Ziel – mal harte Verhandlungspartnerinnen, nehmen den Männern ihr Wichtigstes: Finanzen und Verstand. Erstes durch Besetzung der Akropolis, der Burg des Staatsschatzes. Denn ohne Finanzen lässt sich nicht trefflich »Krieg spielen«, so Lysistrate und zweitens durch körperliche Verweigerung. Denn kaum bleibt die Befriedigung aus, fehlt es im Oberstübchen an ausreichender Durchblutung. Und so bieten sie ein Bild des Jammers. Die stolzen Krieger kriechen geknickt einher. Saftig das Bühnenbild von Myrrhine und Gatte Kinesias zur Wandlung. Denn während eine Kampfgenossin weint ob Nutella statt Sex, ringt sie unter Aufbietung aller Contenance den eigenen Bedürfnissen zum Trotz ihrem Mann, dem arg Geschwollenen, das Versprechen ab, für den Frieden zu stimmen. Backen-wackelnd macht sie ihn gefügig, bis er – wie bald alle, endlich! – zur Überzeugung gelangt, das Weib und Wein dem vormaligen Kriegstreiben vorzuziehen seien und bis der feierliche Schwur des Friedens mit Sparta folgt, wenngleich nicht frei von männlichen Drohgebärden ob dieser oder jener besetzter Gebiete…
Ursprünglich in einer Doppelfassung mit der dasselbe Ziel thematisierenden Tragödie »Krieg der Troerinnen« des Euripides aufgeführt, war diese längere Fassung der Lysistrate auf vielfachen Wunsch als Einzel-Aufführung entstanden. Gut so. Modern in der Sprache, grell in der Requisite, doch konservativ im Ziel, den Pazifismus zum dritten Mal in seinen Stücken aufzugreifen, ist es dieser Bühne einmal mehr geglückt, das mangelnde Ambiente der Halle in Vergessenheit geraten zu lassen.

Brennende Aktualität

„Ende gut – alles gut“ könnte man nun versucht sein, sich vom Optimismus des Komödienschreibers Aristophanes anstecken zu lassen. Doch da war Regisseur Christian Schlösser, der bereits zu Beginn der Veranstaltung auf die brennende Aktualität des Stückes hingewiesen hatte: „ Noch immer stehen wir täglich vor aus den abstrusesten Gründen geführten Kriegen.“ Wenn das mal nicht knapp an der tiefsten Beleidigung des Staatschefs einer befreundeten Großmacht vorbeigeschrammt war…

Südostbayrische Rundschau

„Lysistrate“: Freche Adaption einer Antiken Komödie Theater Kompanie Stuttgart überzeugt in der Salzachhalle mit witzig- zeitgemäßer Version des Stücks von Aristophanes

Laufen. Die Theater Kompanie Stuttgart spielte in der Laufener Salzachhalle das Stück „Lysistrate“, eine moderne Version der griechischen Komödie „Lysistrata“ von Aristophanes. Cornelia Elter hat das Werk aktualisiert, obwohl das Thema selbst zeitlos ist. Die witzigen Einfälle, Wortspiele, Musik, und Tanz amüsierten die Besucher köstlich. Lysistrate (Cornelia Elter) erscheint im hellen Kostüm mit Hütchen, und auch anderen Damen sind teils recht flippig gekleidet, keineswegs in den wallenden Gewändern des griechischen Vorbildes. Das machte es auch jüngeren Besuchern einfach, sich mit der Handlung zu identifizieren. Dass Lampito, die Spartanerin (Katrin Röhling) in einem langen Ledermantel gekleidet und streng frisiert ist, bedient einerseits das Klischee einer „spartanischen“ Lebensweise und führte es andererseits ab absurdum, denn der Gatte dieser Dame erscheint keinesfalls als furchterregender spartanischer Heerführer, sondern als armer geprügelter Mann. Wo bleiben da die legendären Helden? Einfach köstlich, wie hier respektlos mit Klischees umgegangen wird. Die Handlung ist bekannt: Die Männer bekämpfen sich, führen Kriege ohne Ende und die Frauen haben die Nase voll vom Leid. Sie schließen sich zusammen und hecken einen Plan aus, wie sie ihre Männer dazu bringen könnten, endlich Frieden zu schließen: Sie verweigern sich. Das ist allerdings nicht ganz leicht durchzuhalten. Lysistrate muss schon streng, oder mit List dafür sorgen, dass die Damen bei der Stange bleiben, und die Herren sie nicht übervorteilen können. Dabei sollen sie die Herren andererseits mit allen Mitteln heiß machen. Wie sich andererseits die Männer gegen ihre Triebe wehren, stark bleiben und sich nicht der Macht der Frauen unterwerfen wollen, das ist einfach lustig und mitunter deftig dargestellt. Unübersehbare große, rosa Luftballone, die sich aus der Hose erheben, lassen keine Zweifel an den Schwierigkeiten der Helden. Es kommt, wie es kommen muss: Am Schluss stecken alle –wortwörtlich- versöhnt unter einer Decke und mampfen Spaghetti. Lysistrate wird zur Regentin erhoben und mit einem Oskar ausgezeichnet. Und das amüsiert die Besucher noch einmal besonders: Ihre Dankesrede ist eine Persiflage auf die Dankesreden von „echten“ Oscarpreisträgern. Kurzum ein vergnüglicher Abend mit viel Witz und durchweg guten schauspielerischen Leistungen, neben den „Athenerinnen“ Cornelia Elter, Britta Scheerer, Viktoria Zavartkayova und Susanne Heigl, die „Männer Athens“ Jürgen Larys, Till Sarrach, Jidu Pasqualini, Manoel Tavares und Paul Stubenvoll, sowie den „Damen von Sunion“ Sophia Müller, Christiane Dollmann und Sabrina Lössl, die Spartaner: die Heerführer Jan Phillip Hilger und seine Gattin Lampito Katrin Röhlig. Die Inszenierung stammt von C & C Schlösser, Regie Christian Schlösser, Ausstattung Wolfgang Steinbach und Britta Scherer.

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